Jugendgefährdende Kackspiele

  • In den vergangenen Tagen wurde bekannt, dass ein Hacker/eine Hackerin die streng geheime Sperrliste der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM) geleakt hat. In der Liste stehen etwa 3.000 URLs, die in Deutschland nicht verlinkt oder in Suchmaschinen angezeigt werden dürfen. Golem berichtete über den Hack.


    Die URLs führen u.a. zu Seiten mit (legaler) Pornografie, Zoophilie, sexueller Gewalt gegen Kinder, Gewaltdarstellungen, Selbstmord, Neofaschismus und Anorexie. Doch merkwürdigerweise stellt die BPjM keine Löschanträge vor Gericht. Sie zieht einfach eine große Decke über die 3.000 URLs und lässt die Seiten aus den Suchergebnissen von Google &. Co. verschwinden -- aus den Augen, aus dem Sinn.


    Allerdings sind die Seiten immer noch online. Wer die URLs privat gebookmarkt hat, kann jederzeit auf sie zugreifen. Das ist schwer zu verstehen. Wenn die Inhalte der Seiten nach den deutschen Gesetzen verboten sind, müssten sie gelöscht werden. Sollten sie aber nur in den Augen der BPjM-Prüfer moralisch, rechtlich oder ethisch anstößig sein, wäre die Sperrliste nichts weiter als die willkürliche Aufstellung eines privaten Kränzchens, das sich regelmäßig bei Saft und Schnittchen trifft, um sich über das verderbte Internet zu entrüsten.


    Die Veröffentlichung der Sperrliste ist in Deutschland streng verboten. Der Grund ist klar: Weil die URLs nicht gelöscht werden, würden sie erst recht interessant, wenn man erfährt, was die BPjM als anrüchig, gefährlich oder schädlich für das sittliche Empfinden deutscher Kinder und Erwachsener einstuft. Ich verlinke deshalb nicht zur Liste; stattdessen empfehle ich dieses Video und die Lektüre der sehr kenntnisreichen Kommentare :)


    Wie mir ein Vögelchen gezwitschert hat, steht die Scat-Community nicht auf der Sperrliste -- aber ihr Vorgänger. Warum? Das weiß nur Frau Monssen-Engberding, die Große Vorsitzende der BPjM. Über die Sperrgründe gibt sie keine Auskunft. Die Liste ist schließlich geheim.


    Das führt mich zu einer grundsätzlichen Frage: Sollen Websites gesperrt, Bücher verboten, Filme zensiert, Musik und Computerspiele indiziert werden?


    In Deutschland ist das Alltag, in den USA fast undenkbar. Ist ein Board über Kacke jugendgefährdend? Liefern Anorexie-Foren Handlungsanleitungen zum schleichenden Selbstmord? Und selbst wenn -- was wiegt mehr: Der Schutz einiger gesellschaftlicher Gruppen vor sich selbst (oder vor Nazis) oder die uneingeschränkte Meinungsfreiheit für alle Menschen? Was meint ihr?












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  • Na ja rod, du weißt doch dass das Internet noch Neuland für uns ist und da ist es nicht so einfach die Seiten zu sperren. Warum das Vorgängerboard auf der Liste stand? Ganz einfach: Frau Monssen-Engberding war selbst Mitglied und hatte natürlich Angst, dass das an die Öffentlichkeit gelangt...


    "Der Schutz einiger gesellschaftlicher Gruppen vor sich selbst (oder vor Nazis) oder die uneingeschränkte Meinungsfreiheit für alle Menschen? Was meint ihr?" Ich weiß, ich werde dafür von einigen Leuten schief angesehen, aber ich wäre schon für die Beschränkung der Meinungsfreiheit. Was manche Leute so in der Öffentlichkeit von sich geben gehört schon auf den Index und zeugt davon, wie geistig arm sie doch eigentlich sind!

  • Das Dinge auf einem Index landen, ist mindestens so alt wie die Heilige römische Kirche.
    siehe auch http://de.wikipedia.org/wiki/Index_Librorum_Prohibitorum


    Die USA werden ganz sicher auch eine Einrichtung wie die unsere haben - wir kennen sie nur nicht. Schließlich sind die in der Öffentlichkeit die größten Moralisten zum Thema Sex und beheimaten im Gegenzug die größte Pornoindustrie der Welt. Schon einmal das Erwähnen von Fuck und ein Film bekommt heute ein R-Rated (Kinder unter 17 nur in Begleitung eines Erwachsenen [Pflicht]) ...


    Bei uns landen mehr extreme Gewaltfilme und -spiele auf dem Index (dürfen halt nicht öffentlich beworben werden). Manchmal werden Filme auch beschlagnahmt und diese sind nach aktuellem Recht eben auch Erwachsenengefährdend (idR. auch mit strafrechtlichen Konsequenzen verbunden)


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    Immer sehr gern verstümmelt - jegliches Auftauchen von Nazi-Symboliken in Spielen. Meist gleich vorsorglich, damit man wohl nicht gegen StGB §86a "Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen" verstößt. Für mich sind sie nicht wirklich spielrelevant und heute gibt es bessere Zensur-Methoden als damals. Vergleicht mal auf Schnittberichte.com das neue "Wolfenstein: The New Order" mit "Indiana Jones und der letzte Kreuzzug"


    Aus welchem Grunde auch immer - in diesem Thema beschneiden und widersprechen wir uns selbst. Zum einen wird man teilweise noch jeden Sonntag mit Guido Knopp zur geistigen Aufarbeitung aufgefordert und andererseits hält man offenbar die Menschen immer noch nicht für reif genug. Man könnte zum Beispiel auch mal darüber referieren, warum sich eine Nation heute noch für den Rest seiner Hymne schämt - obwohl der Ursprung guten Gedankengutes war. Oder möchte jemand Heinrich Hoffmann von Fallersleben antisemitische, rassistische und somit nationalsozialistische Hintergründe vorhalten, als er die Zeilen " Deutschland, Deutschland über alles ..." schrieb?


    Jede Nation darf sich noch so was wie Stolz erlauben. Das wird dann nur mal leicht angemahnt, wenn es zu unpassenden Momenten (bei manchen historischen Ereignissen etc.) passiert. Aber hier sind wir schon so weit, das wir uns das noch kaputt reden und behaupten lieber "Flaggen fördern Patriotismus". Patrioten sind ja auch gleich immer Nazis und ein Migrant, der die deutsche Flagge bei 'ner WM aufhängt, ist wohl nur zu gut integriert. ^^


    [ironie]Ist ja auch per se etwas ungemein Schlechtes und müsste verfassungsrechtlich verboten werden.[/ironie] Doch für Europa als Gesamtkonstrukt scheint aber auch niemand reif zu sein, denn da erkennen wir, das man so vielfältige kulturelle Unterschiede nicht in ein Staatengebilde zwängen kann - das muss von alleine wachsen. Selbst der deutsche Bund (jaja, ich weiß heute heißt es BRD^^) neigt immer noch zu Kleinstaaterei.


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    Zur BPjS mal nette Einblicke von der Jahrestagung im Oktober 2000:
    Teil 1: Computer sind Waffen
    Teil 2: Kinder sind Pornos


    Unabhängig davon, wie man zu manchen Themen steht, erwarte ich dann aber auch eine konsequente Linie und keine widersprüchliche Argumentationskette.


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    Die Sperrlisten-Taktik der BPjS ist fragwürdig, aber zur Zeit wohl noch das einzig probate Mittel.


    [JUSchG] § 24 Führung der Liste jugendgefährdender Medien
    (3) Wird ein Trägermedium in die Liste aufgenommen oder aus ihr gestrichen, so ist dies unter Hinweis auf die zugrunde liegende Entscheidung im Bundesanzeiger bekannt zu machen. Von der Bekanntmachung ist abzusehen, wenn das Trägermedium lediglich durch Telemedien verbreitet wird oder wenn anzunehmen ist, dass die Bekanntmachung der Wahrung des Jugendschutzes schaden würde.*
    (4) Wird ein Medium in Teil B oder D der Liste jugendgefährdender Medien aufgenommen, so hat die oder der Vorsitzende dies der zuständigen Strafverfolgungsbehörde mitzuteilen. Wird durch rechtskräftiges Urteil festgestellt, dass sein Inhalt den in Betracht kommenden Tatbestand des Strafgesetzbuches nicht verwirklicht, ist das Medium in Teil A oder C der Liste aufzunehmen. Die oder der Vorsitzende führt eine erneute Entscheidung der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien herbei, wenn in Betracht kommt, dass das Medium aus der Liste zu streichen ist.


    Demnach sind für die Entscheidung der strafrechtlichen Relevanz die Gerichte zuständig und erst dann könnten die Seiten "problemlos" gelöscht werden, sofern sich Server und Betreiber auf dt. Hoheitsgebiet befinden.
    *Da geschieht dann die Zensur für die Erwachsenen gleich mit.


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    Mein Fazit: Alles wird heute lieber mit Jugendschutz tot argumentiert, weil man sich gesamtgesellschaftlich mit manchem bis heute nicht auseinandersetzen mag.

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