Ich habe euch eine alte Bekannte mitgebracht. Nachdem ich noch einmal mein schriftstellerisches Händchen angelegt habe, darf Josie euch wieder erfreuen.
Inspiriert zu der Geschichte hat mich die Begegnung mit einem Boardmitglied, der tatsächlich so unsensibel zu Werke ging wie der Ich-Erzähler. Allerdings hat er mich nicht ausgeknockt. Ich verliere ungern die Kontrolle.
Josie
Noch nicht ganz wach, aber frisch rasiert, saß ich um sieben Uhr morgens im Frühstücksraum des Hotels und schlürfte heißen Kaffee. Ein leidenschaftsloser Tag lag vor mir. In ein paar Stunden würde ich einen Vortrag über Physiotherapie in der Sportmedizin halten. Das war keine Herausforderung, denn mittlerweile schüttelte ich solche Referate locker aus dem Ärmel. Gelangweilt ließ ich meinen Blick über das Buffet schweifen. Wie so oft, bewegte mich die Frage, ob es mir jemals gelingen würde, eine Gefährtin zu finden, die meine absonderlichen Vorlieben akzeptieren könnte. Dann sah ich sie.
Sie stand mit dem Rücken zu mir vor dem Heißwasserkessel und fluchte wie ein Bauarbeiter. Über die nackte Schulter schlängelte sich ein tätowierter Drachenkopf, der unter einem engen Top verschwand. Die Lockenmähne hatte sie zu einem Knoten gebändigt. Die Frau neben ihr trug ein Business-Kostüm und musterte sie missbilligend, denn in der Tat wirkte nicht nur die vollgekleckste Arbeitshose etwas deplatziert. Ich pfiff leise durch die Zähne. Die Kleine hatte einen tollen Körper, das war selbst in dieser Montur nicht zu übersehen. Sie zerrte an einem Plastikbeutel herum, konnte ihn aber nicht aufreißen. Schließlich glitt ihre Hand zum Oberschenkel und mit einer fließenden Bewegung zückte sie ein Messer, schnitt den Beutel auf und schon saß das Messer wieder in der Beintasche. Ich grinste in mich hinein.
Ein interessantes Weib, dachte ich und beobachtete, wie sie ihr Tablett zu einem Tisch trug, an dem lauter langhaarige Burschen saßen. Die Männer nahmen sie herzlich in ihrer Runde auf. Trotz der frühen Stunde fielen ein paar scherzhafte Bemerkungen. Sie warf den Kopf in den Nacken und lachte. Als sie sich wieder ihren Jungs zuwandte, streifte mich ihr Blick für eine Sekunde. Sie hat mich bemerkt, verdammte Tat! Ich hob schnell meine Zeitung vors Gesicht und versuchte mich auf den Sportteil zu konzentrieren, aber meine Neugier siegte. Vorsichtig spähte ich über den Rand und erneut kreuzten sich unsere Blicke. Ein interessantes Spiel.
„Guten Morgen, Victor, alter Freund!“, ließ sich plötzlich eine eloquente Stimme neben mir vernehmen. Es war Torben Schmidt, der Eigentümer der Hotelanlage.
„Guten Morgen, Torben! Wie läuft es denn so?“, grüßte ich zurück. Ich deutete auf den Stuhl mir gegenüber. „Setz dich doch!“ Ich hatte ihm seinerzeit geholfen, den Physiotherapie-Bereich einzurichten. Die gesamte Anlage war eine Mischung zwischen den unterschiedlichsten Sportmöglichkeiten und Wellness-Bereich in Verbindung mit einem Fünf-Sterne-Hotel.
Er setzte sich und nahm mir damit die Sicht auf meine potenzielle Beute. Mist.
„Ist ja schön, dich mal wieder hier zu sehen!“, fing er an. „Hab ich dir schon von unserer neuen Outdoor-Kletteranlage erzählt? Das ist ne große Sache. Wir lassen im Park eine Felsenlandschaft bauen.“ Er deutete mit dem Daumen hinter sich in Richtung des Handwerker-Tisches. „Diese Truppe ist eine Spezialfirma für Felsenbau. ‚Rock the Universe’ nennen sie sich. Du musst dir, sobald du Zeit hast, unbedingt ansehen, wie die arbeiten. Sie sind begeisterte Extrem-Kletterer, richtige Sportler. Sie zaubern in enormer Geschwindigkeit gigantische Berge aus dem Nichts. Einfach phänomenal!“
Meine Stimmung hellte sich sofort auf. Ich plauderte mit Torben über alte Zeiten und freute mich schon auf die Mittagspause. Mal sehen, was der Tag noch so zu bieten hat.
Nach meinem Vortrag trat ich hinaus in die große Parkanlage und konnte schon von weitem die ungewöhnliche Konstruktion erkennen, die an der Außenwand der vorhandenen Kletterhalle entstand. Ich hielt geradewegs darauf zu.
Mehrere Schweißer standen auf Gerüstbrettern, die direkt an ein Stahlskelett montiert waren und brutzelten Stahldrähte aneinander. Das Geflecht, das dabei entstand, wirkte wie ein gigantisches Spinnennetz. Allein, eine Spinne wäre wohl auf Trip gewesen, wenn sie so etwas gesponnen hätte. Ein Teil des Drahtnetzes war bereits mit Kunststoff-Matten belegt, auf die ein weiteres Team eine Schicht sandfarbene Betonmasse auftrug, die aus einem dicken Schlauch gepumpt wurde. Weiter oben, auf abenteuerlich anmutenden Brettergerüsten balancierend, arbeiteten mehrere Bildhauer. In atemraubenden Tempo modellierten sie eine Felsstruktur in die feuchte Masse. Es war verblüffend. Ich blieb stehen und schaute bei der Arbeit zu.
„Interessant, nicht wahr?“, vernahm ich eine Stimme neben mir. Überrascht drehte ich meinen Kopf herum. Da stand sie. Das Mädchen vom Frühstücksbuffet. Eine Gestalt gewordene Mischung aus Lara Croft und Janis Joplin. Ich atmete ihren Schweiß. Es roch verdammt lecker. Sie grinste mich an.
„Hallo, ich heiße Victor“, stellte ich mich rasch vor, um meine Nervosität zu überspielen. „Sie sind mir schon beim Frühstücksbuffet aufgefallen. So eine ungewöhnliche Erscheinung sieht man nicht oft in einem Luxushotel.“
Sie nahm meine Hand und schüttelte sie. „Angenehm. Ich bin Josie!“ Sie lächelte. „Es ist in der Tat ein feiner Zug von Herrn Schmidt, dass er uns gemeinsam mit den Hotelgästen essen lässt. Entweder er weiß unsere Arbeit zu schätzen oder er hat ein Herz für bunte Vögel.“
Ich versuchte, meinen Blick von ihren Prachttitten zu wenden, und sah ihr in die Augen. „Ich würde sagen, beides trifft zu. Ich kenne ihn ganz gut. Wir sind befreundet.“
„Das habe ich heute Morgen im Speisesaal schon mitbekommen, als er sich zu Ihnen an den Tisch setzte. Es scheint, Sie teilen die Auffassung Ihres Freundes“, sagte Josie und ließ einen koketten Blick einmal kurz an mir entlang gleiten.
Sie machte mich unruhig. „Ihre Arbeit hier ist wirklich faszinierend“, lenkte ich ab. „Ich nehme an, das ist nicht das erste Projekt in dieser Dimension?“
Sie schüttelte den Kopf. „Wir arbeiten seit zehn Jahren zusammen. Wir kennen uns seit dem Studium und habe dann gemeinsam eine Firma gegründet.“
„Was studiert man denn für einen so ungewöhnlichen Beruf?“
„Bildhauerei,“ gab sie unumwunden zurück und erzählte davon, wie sie während der Semesterferien mit Jobs in Freizeitparks beim Bau von Fahrgeschäften geholfen hatte. „Da lag der Gedanke nahe, das zum eigenen Geschäft auszubauen“, schloss sie ihre kleine Geschichte. „Ich habe gar nicht so viel Zeit, um Ihnen mehr darüber erzählen. Ich muss mich noch ein bisschen bewegen und meine Kollegen unterstützen.“ Sie grinste.
„Ich würde so gerne mehr über Ihre Arbeit erfahren. Haben Sie heute Abend schon etwas vor? Wann machen Sie denn Feierabend?“ Das war tollkühn, aber sie biss an.
„Eigentlich so um sechs. Ich werde mich wohl etwas eher frei machen, um noch ein Bad im Pool zu genießen. Der Herr Schmidt, Ihr Freund, ist in der Tat sehr großzügig, denn wir dürfen auch den Pool benutzen.“
Ich stellte sie mir im Bikini vor und ahnte sofort, woher Torbens Großzügigkeit rührte. Wer konnte es ihm übel nehmen?
„Wenn Sie erlauben, würde ich Ihnen gerne dabei Gesellschaft leisten“, bot ich nonchalant an.
„Warum nicht? Sagen wir, um sechs am Pool?“
Ich grinste wie ein Honigkuchenpferd. Strike!
Sie ging mit schnellen Schritten davon. Ich schaute zu, wie sie wieselflink das Gerüst hinauf kletterte und genoss den Anblick.