Ostern am Horizont

  • Wie, Du meinst, es wäre noch viel zu früh für eine Geschichte zu Ostern? Ich denke nicht, schließlich gibt es schon seit Wochen Ostereier und Osterhasen in den einschlägigen Geschäften zu kaufen. Schau mal bei Edeka oder Netto rein!


    Ich vermute einmal, wenn es im Juli und August nicht so warm wäre, dann gäbe es zu dieser Jahreszeit bereits Weihnachtsmänner, Dominosteine und sonstiges Equipment, was zur Weihnachtsfestgestaltung nahezu unumgänglich ist- wenn man dem Einzelhandel glauben darf… Hauptsache ist doch, dass Umsatz gemacht wird! Und dazu gehört nun einmal auch, dass sich die Leute bereits ein viertel Jahr vor dem Fest schon den Magen verdorben haben und nicht erst an den Festtagen.


    Ich wundere mich jedenfalls nicht mehr, dass heute viele Jugendliche nicht mehr ihre Fußspitzen berühren, oder gar über einen Schwebebalken balancieren können. Adipositas hört sich doch auch überhaupt nicht schlecht an, oder? Positas! Das hat so etwas Positives, findest Du nicht? Und Adi? Ein süßer Spitzname für einen völlig überfressenen und aufgedunsenen Fettklops, der schon in der Grundschule nicht mehr in der Lage ist, seine Fußspitzen, geschweige denn seinen kleinen Pimmelchen zu sehen. Nun ja, eben der beleibte Typus: Wartet wohin der Strahl fließt- und geht befriedigt von dannen.


    Natürlich sind nicht in erster Linie die Kinder für ihren desolaten Zustand verantwortlich, sondern die Eltern und die Industrie die alles propagiert, was aus Zucker besteht! Wusstest Du das? Mich hat letztens fast der Schlag getroffen: Die ganzen Kakaogetränke bestehen zu 18 Prozent aus Kakao- aber zu 80 Prozent aus Zucker! What? Leute, seid ihr alle bescheuert? Eine Politik die so etwas zulässt, hat in meinen Augen völlig versagt! Aber warum rege ich mich auf? Alle Welt betrachtet dies offensichtlich als normal. Also bin ich wohl derjenige, der nicht normal ist, oder?


    Insofern habe ich absolut kein Problem damit, schon heute ein wenig über Ostern zu philosophieren.


    Wie sagt man so schön? Die Verwandtschaft kann man sich nicht aussuchen! Wie wahr… Da sich Ostern ja bereits am Horizont eierschalenfarbig abzuzeichnen beginnt, muss ich gerade so an meine erste Ehe denken: Meine erste Frau stammte aus einer wirklich großen Großfamilie. Ihr Vater war außerordentlich fleißig und zeugte mit über 75 noch das letzte Kind. Es müssen – genau kann ich mich nicht mehr erinnern – ungefähr 10 Kinder gewesen sein. Ich habe nie wieder eine Esszimmertafel gesehen, an der mehr als 20 Personen Platz nehmen konnten! Das war für mich damals schon schwer beeindruckend und in gewisser Weise auch verstörend. Trotzdem muss ich gestehen, dass meine erste Frau von erlesener Schönheit war; sie hatte das, was man so schön mit dem Begriff Sexappeal umschreibt. 18 Jahre jung, ein wirklich wunderschönes Gesicht, schlanke Figur und extrem lange, wohlgeformte Beine. Wenn ich mit ihr irgendwo auftauchte, dann war sie das Zentrum der anwesenden, männlichen Blicke und Gespräche verstummten, was mich natürlich mit einem gewissen Stolz erfüllte. Ganz im Gegensatz zu ihrer überbordenden Schönheit standen dann aber ihre geistigen Fähigkeiten. Nun ja, wenn man von 100 Prozent 80 Prozent auf die linke Waagschale packt, dann bleiben mathematisch betrachtet nun eben nur 20 Prozent für die rechte Waagschale übrig. Ich war noch jung- und das Aussehen spielte damals für mich die wichtigere Rolle: Schließlich wollte ich sie nageln und nicht mit ihr nicht über Heisenbergs Unschärferelation oder den Zeitdilatationseffekt bei Erreichen der Lichtgeschwindigkeit philosophieren. Anders ausgedrückt: Sie zählte nur sehr bedingt zu den hellsten Kerzen auf einer Torte.


    Nahezu als Unvermeidlich darf man in solchen Großfamilien die regelmäßig, zu allen möglichen Feiertagen und Geburtstagen anberaumten Familientreffen ansehen. Nicht, dass ich mich nicht als einen geselligen Typen bezeichnen würde. Trotzdem hatte ich in schöner Regelmäßigkeit so meine Probleme und konnte die freudige Erregung meiner damaligen, besseren Hälfte nicht so wirklich nachvollziehen.


    Ich möchte diese distanzierte Haltung meinerseits anhand eines typischen Beispiels versuchen zu erläutern. Ein unvermeidliches Ereignis stellte in jedem Jahr Ostern dar!


    Kuckst Du!


    Eine Katastrophe nimmt ihren Lauf- wie jedes Jahr. Menschen, die man das ganze Jahr nicht sieht (Gott sei Dank!) stehen plötzlich vor der Tür und machen auf Großfamilie. Unbarmherzig nähert sich Kusine Sieglinde! Hundertzwanzig Kilo frau gewordene Fleischmasse, die einem schon aus hundert Meter Entfernung Respekt einflößt. Der unscheinbare Begleiter, der ab und an hinter ihr zum Vorschein kommt ist- ich korrigiere: war einmal ein Mann. Heute ist er ihr Gatte; aus einem sportlich aktiven


    Menschen ist in wenigen Jahren ein Schatten seiner selbst geworden. Bei unserem letzten Zwangsbesuch dieser netten Familie rief die entsetzlich laute Tochter nach dem Waschlappen- worauf die Mutter zurückschrie, er sei im Keller Bier holen. Nun ja, irgendwie hatte sie ja auch Recht: Physisch wie auch psychisch war er im Keller!


    Der kleine Paul- Klaus (allein dafür gehören die beiden Elternteile in einen See versenkt!) sieht nicht nur so aus, wie seine Eltern, nein, er IST ein Volltrottel! Sein IQ - soweit man dieses Wort überhaupt sich zu gebrauchen traut - entspricht der vielzitierten Scheibe trockenen Toastbrotes. Beim letzten Besuch fiel er kopfüber in das Fischbecken der Nachbarn. Die Mutter quietschte, als sie den Tauchgang bemerkte, im Diskant einer Luftschutzsirene. Dieses Geräusch wurde nur durch das Auftreten Ihrer Stampfer auf dem Rasen kurzfristig unterbrochen. Nun ja, wenn ein Titanosaurus so erst einmal in Bewegung gerät, wackelt nicht nur die Heide! Ihre Milcheuter schwappten von der linken Schulter

    zur Rechten und ich ärgerte mich nur, keine Kamera greifbar gehabt zu haben. Bei dieser Szene ging mir nur ein Gedanke durch den Kopf:“ Oh Gott, wir stammen WIRKLICH vom Affen ab!“


    Als die hässliche Nachgeburt endlich triefend aus dem Wasser gezogen wurde, wunderte ich mich nur darüber, dass dieser tropfende Freckel recht ruhig war, ganz entgegen seinem sonstigen Naturell. Sekunden später war mir der Grund klar: dieser hässliche Vogel hatte bei seinem Tauchgang offensichtlich so viel Wasser gebunkert, dass er nun erst einmal minutenlang sich übergeben musste, bevor er mit seinem Geplärr beginnen konnte.


    Ich hasse kreischende Kinder, quietschende Mutterschiffe und hilflos danebenstehende Männer! Und trotzdem konnte ich nicht anders; ich musste lachen, was bei der allgemeinen Hektik aber nicht weiter auffiel. Auf der einen Seite ärgerte einen natürlich so ein österlicher Besuch, auf der anderen Seite hoffte man natürlich, dass sich wieder so etwas Köstliches ereignen möge. Latent war diese Familie ja geradezu dafür geschaffen, sämtliche irdischen Katastrophen anzuziehen. Und ganz ehrlich, mir läuft auch heute noch jedes Mal ein Schauer den Rücken herunter, wenn ich daran denke, wie dieses Mutterschiff sich in ihren Schlappen strumpflos fortbewegte: Es gabt bei jedem Schritt so ein wundervoll ekliges Geräusch, wenn sich die Schuheinlage von der fettig- schweißnassen Fußsohle trennt; squack, squack, squack… Ich bekomme heute noch eine Gänsehaut…


    Ich glaube, wenn dieses Ungetüm aus einer vergangenen Epoche damals meine Frau gewesen wäre, ich hätte sie schon längst waidgerecht erlegt. Quasi so als Gnadenakt, um sie und ihre Umwelt zu schützen. Ich fragte mich immer zwei Dinge, wenn ich dieses Pärchen sah: Erstens: Was wollte die Natur? Was wollte sie uns damit mitteilen? Und zweitens: Wenn sich zwei Halbidioten paaren, kommt dann immer (so wie in diesem Fall) ein Vollidiot dabei heraus? Wir werden es wohl nie erfahren.


    Ich meine, ich liebe Saurier! Aber deswegen muss man sie nicht in direkter Umgebung haben oder gar mit einem zusammenwohnen! T- Rex ist auch tot noch schaurig schön! Welcher halbwegs normale Mensch würde sich solch ein Vieh lebend vor sich stehend wünschen? Gut, die Personen meiner Exfamilie lassen wir einmal außer Acht… Die würden so ein Vieh sogar zum Essen einladen; Hauptsache er bringt ein paar Ostereier und einen Kasten Bier mit…


    Aber Ostern hat zum Glück ja noch mehr zu bieten! Denken wir doch nur einmal an Kusine Chantal! Ihre Oma sorgte schon frühzeitig dafür, dass sie mit der einheimischen Flora und Fauna konfrontiert wurde. Geheiligt ist mittlerweile ein Ausspruch von ihr, während eines Zoobesuchs: „Schantall, mach dat Mäh mal Ei!“ Igitt! (Das soll auf „Ruhrpottlerisch“ übrigens so viel heißen wie: „Chantal, streichle einmal die Ziege!“) Welch ein wohliger Schauer strömt einem dabei über den Rücken, bei diesen prosaischen Worten! Und so verwundert es dann auch nicht weiter, wenn diese literarischen Züge dann auch in den profanen Alltag Eingang fanden: „Wem hört datt Fahrrad im Hof?“ „Mich!!“ Ja nee, is´ klar, oder? Chantal zählte damals 18 Jahre und hatte bis dato – das Einzige, was mich mit seinerzeit ihr verband - immer noch mehr Geschlechtspartner, als sie an Jahren zählte. Übrigens liebte sie Puzzle! Besonders die Vierteiligen hatten es ihr angetan. Da konnte sie immer so schön bei den Ecken beginnen…


    Mit der Deklination in ihrer Muttersprache haperte es zwar, dafür kannte sie aber 31 Stellungen, die Mann und Frau einnehmen können! Lebenserfahrung ist doch auch etwas, oder? Und die nahm man ihr zweifellos ab, mit ihren violett gefärbten Haaren, ihrem Nasen-, Unterlippen-, Schamlippen-, Zungen- und Nasenbeinpiercing. Bei der letzten Festivität die ich in diesem erlauchten Familienkreis verbringen musste, riss sie sich plötzlich das verwaschene T- Shirt bis unter die Nase und offenbarte uns stolz ihre durch jeweils eine Querstange mit Kugeln mitten durch die Brustwarzen gepiercten Brüste. Dabei strahlte sie, als wäre es ihr gelungen, 124 + 32 nach nur 17 Minuten korrekt zu addieren.


    Der Anblick der durchbohrten Brustwarzen sorgte bei mir dafür, dass sich meine primären Geschlechtsorgane sofort in die schützende Bauchhöhle zurückzogen und in einen Art Schockstarre verfielen. Der Schock saß so tief, dass sich mir selbst heute noch – sobald ich nur an gepiercte Brustwarzen denke – sofort die verstörenden Bilder dieser durchbohrten Körperteile aufdrängen. Ich bin also quasi durch diese schwerwiegenden Traumata psychisch auf Dauer geschädigt worden. Reine Fantasie? Von wegen! Das ist genau SO passiert!


    Es mag Stellen geben, die sie noch nicht bereitwillig der gesamten Verwandtschaft, Bekannten, Freunden, Schulkameraden, Lehrern, Nachbarn wie auch wildfremden Menschen gezeigt hat- auch wenn dies kaum vorstellbar sein mag. Bei ihr von einer Art Zeigefreude zu reden wäre eine maßlose Untertreibung. Manche Menschen wünschen sich, bei so einem Ereignis einmal selber anwesend zu sein, manche wünschen sich, nie dabei gewesen zu sein…


    Erwähnte ich schon das Arschgeweih von ihr? Nicht? Ist vielleicht auch besser so. Ich habe zumindest keine Ahnung, welche arabischen Schriftzeichen sich heute bei ihr möglicherweise abzeichnen. Man sagte ihr nach, ihre Eltern hätten sie vor Jahren gebeten, doch einfach einmal von zu Hause wegzulaufen. Aber wohin hätte sich dieses arme Geschöpf denn wenden sollen, wo sie sich doch schon in einer Drehtür verlaufen konnte! In die Annalen der Familie eingegangen ist auch der Spruch ihrer Mutter: „In zehn Minuten kommt ein Bus: Du könntest dich überfahren lassen. Oder lass uns wenigstens wo hingehen, wo jeder von uns alleine sein kann!“


    Ein Nachbar soll sie einmal gefragt haben: „Hat in ihrer Familie schon mal jemand Selbstmord begangen? Nein? Wäre das nicht mal eine Überlegung wert?“ Habe ich schon ihren Berufswunsch erwähnt? Sie wollte Ärztin werden! Zugegeben, es gibt effektivere Methoden eine große Anzahl von Menschen auszurotten- aber zweifellos keine Grausamere!


    Ich stelle mir gerade so optisch/akustisch folgendes Gespräch zwischen Chantal als angehende Ärztin und dem Professor während einer geübten Geburt vor: „Doch, Fräulein Chantal, das war schon sehr effektiv. Sie brauchen sich jetzt nur noch einmal umzudrehen und dem Vater die Geburtszange über den Schädel schlagen. Dann haben Sie die gesamte Familie ausgetrottet!“ Zum Glück weiß ich nicht, mit welcher Berufswahl sie viele Menschen dann später unglücklich gemacht hat. Mir genügte es in der Regel schon, wenn sie ihre Essleiste öffnete, um seltsame Wörter hinauszulassen: „Boh, ey, fett geil, ey, echt krass, wa?“ Wir wissen bis heute nicht, was uns dieses Kind damit sagen wolle, aber es kann aufgrund ihrer psychischen Leistungsfähigkeit nichts besonders Wichtiges gewesen sein.


    Tja, Ostern, ich erinnere mich noch an die Zeit, als dieses süße Kind die Schokoladeneier mitsamt dem Papier gegessen hat. Ich stellte es zunächst verwundert fest und wartete, bis sie ihr Gesicht verziehen würde. Es passierte aber nicht! Sie verschlang das nächste Ei und ich konnte nicht anders, als ihr einfach nur interessiert zuzuschauen. Sorgen um ihre Gesundheit machte ich mir nicht wirklich. Letztlich war sie dafür bekannt, zu Karneval und zu Silvester die Papierschlangen aufzufressen. Abgesehen von den Fliegen, die sie sich als Kleinkind einverleibte, scheint sie aber sonst weitestgehend normal zu sein. Zumindest im Verhältnis zu den familiären Vorbelastungen. Mit etwas Glück wäre glatt ein IQ von 100 drin gewesen. Ich meine, zu Dritt erreichen die Mitglieder dieser Familie den Wert auch spielend!


    Aber die Natur ist ja immer auf irgendeinen Ausgleich bedacht: Dafür war Chantal schon früh von der Natur mit einem begnadeten Körper ausgestattet worden, der sofort zu einer Blutdruckerhöhung führt: Bei Familienangehörigen wegen der bevorstehenden Panikattacke, beim fremden, in der Regel männlichen Betrachter aus den üblichen, dem Arterhaltungstrieb unterliegenden Gründen. Zumindest so lange, wie man sich nur auf ihre äußere Erscheinung konzentrierte und nicht auf den Gedanken verfiel, ihr Mundwerk in Betrieb setzen zu lassen. Gewisse Ähnlichkeiten mit meiner damaligen Frau lassen sich tatsächlich nicht verleugnen…


    Apropos Zeigefreude; mir fällt da noch so eine Begebenheit ein, es war, wenn ich mich richtig erinnere eine der letzten Begegnungen mit dieser in höchstem Maß verstörenden Familie, exklusiv vertreten durch besagte Chantal:


    Wie sollte es auch anders sein: Ostern!

    Nachdem die Kaffeetafel am Nachmittag aufgehoben war, folgte das übliche: Die Geschwister unterhielten sich. Ich stand mit meiner Frau neben Chantal und ich hörte wie sie gerade sagte, dass sie sich habe ein Tattoo stechen lassen. Zwei Einhörner, die sich gegenüberstehen. Und ich Idiot stellte völlig gedankenverloren die Frage: „Wo hast du dir denn die Tattoos stechen lassen?“ Sie drehte sich zu mir um, zog ihre ballonseidene Trainingshose circa 20 cm nach unten, griff nach dem darunter befindlichen, rosafarbenen Frottee (!) - Slip und zog diesen auch noch ein Stück herunter und erklärte voller Besitzerstolz: „DA!“ Links und rechts ihrer äußeren Schamlippen begannen die Hufe der besagten, sich gegenüberstehenden, aufgerichteten Einhörner. Und voller Inbrunst und Stolz erklärte sie die Besonderheiten, die sich der Tätowierer habe einfallen lassen, damit – wenn die Haut etwas älter wird- die Hörner der beiden Einhörner nicht aussehen wie Korkenzieher.


    Das bekommst du nie wieder aus dem Kopf! Alle standen drum herum und beäugten interessiert ihren Schambereich! Ego quoque! Glaube mir, so ähnlich muss sich ein bevorstehender Schlaganfall zumindest ungefähr anfühlen! Du weißt nicht, wo du hinschauen sollst, dein Blick hängt aber wie gebannt an dem sich bietenden Anblick des entblößten, säuberlich rasierten, und immer noch leicht gerötetem Schambereichs und du bist nicht in der Lage, wegzusehen. Ich kann mich nicht mehr so genau an die Einhörner erinnern. Aber der Rest, inklusive des entsetzlichen, rosafarbenen, ausgeleierten Frotteeslips, der - dem Halt der runtergezogenen Hose entrissen - ohnehin der Schwerkraft folgend in Richtung Boden strebte und - dermaßen geschwächt - auch das freigab, was man normalerweise, ohne engere Bindung zu einer Frau, nicht zu sehen bekommt, ist in meiner Erinnerung wie eingebrannt! Ich weiß bis heute nicht, ob Chantal sich dessen bewusst war, welche tiefgreifenden Einblicke sie uns gewährte. Der Stolz über die gehörnten Errungenschaften schien ein ggf. rudimentär vorhandenes Schamgefühl aber deutlich zu überwiegen. Nicht dass ich damit ein Problem hätte! Dummerweise ganz im Gegenteil! 😉 Ich weiß auch nicht mehr, was mit meinem Kaffeebecher passiert ist, den ich wohl in der Hand hielt. Ein Albtraum! Ich habe in dieser Hinsicht wirklich schon sehr viel erlebt! Aber DAS ist und bleibt so eine Art Highlight! Recht hatte sie natürlich trotzdem, da bekannterweise sich mit zunehmendem Alter auch das typische Arschgeweih gerne in arabische Schriftzeichen verwandelt. Warum sollte dies mit Einhörnern anders sein?


    Ich denke, sie war und ist ein harmloser Trottel. Aber ich will ehrlich sein, nicht jeder dachte so positiv über sie. Ihr Bruder stellte einmal eine überraschende These auf, warum Chantal über mehr Gehirnzellen verfügt als ein Pferd: Damit sie beim Treppenputzen nicht aus dem Eimer säuft! Zugegeben, dies hört sich ziemlich drastisch an – stimmt aber!


    Ihr Bruder schien der Philosoph der Familie zu sein. Eine seiner Thesen lautete: „Warum bekommen Frauen über 50 keine Periode mehr? Weil sie das Blut für ihre Krampfadern brauchen.“ Nun ja, Chauvinismus ist eben auch eine Art von Weltanschauung. Daher hier zum Ausgleich um niemanden zu benachteiligen: „Warum sind verheiratete Frauen dicker als Singles? Singles kommen nach Hause, schauen nach, was in ihren Kühlschrank ist und gehen ins Bett. Verheiratete Frauen kommen nach Hause, schauen nach, was in ihrem Bett ist - und gehen zum Kühlschrank.“ Noch einen? „Was bedeutet es, nach Hause zu kommen, zu einem Mann der dich liebt und der zärtlich zu dir ist? Du bist in der falschen Wohnung!“ :D Man kann eben nicht alles haben.


    Ostern, >seufz<, Onkel Dieter fällt mir gerade ein. Oh doch, auch er gehörte zu den seltsamen Geschöpfen! Er entsprach so richtig den Vorstellungen eines nichtsagenden Menschen, wobei sich dieser zunächst gute Eindruck ziemlich schnell verlor. Noch in seiner Gegenwart entfielen mir sofort sein Name und seine Funktion, als ich ihn das erste Mal kennenlernte. Jedenfalls verstand ich damals irgendwann, warum meine erste Frau mir ihre Familie so lange vorenthalten hatte. Im Nachhinein bin ich ziemlich sauer auf sie; mit dieser Erfahrung hätte ich heute eine Ehe weniger und ein Einfamilienhaus mehr!


    Um aber zu Onkel Dieter zurückzukehren: Auch die Leber wächst mit ihren Aufgaben! Es war immer wieder beeindruckend zu erleben, wie sich ein Mensch krampfhaft versucht auf den Beinen zu halten, während gutturale Laute nebst Speichel seinem Mund entflohen. Mag wohl ein Markenzeichen der Familie gewesen sein. Sprachfähigkeit und Sprachverständlichkeit waren nicht besonders stark ausgeprägt. Man könnte auch sagen: sie waren nur äußerst rudimentär vorhanden. Aber die Kommunikation untereinander funktionierte prima! „Na? Is?“ „Jo, und selber?“ „Auch.“ Frau?“ „Joh.“ Welch ein Beispiel für Abstraktionsfähigkeit! Paul Klee und Pablo Picasso würden vor Neid erblassen! Unser Literaturpapst Reich- Ranicki würde sicher auch erblassen – so er denn noch leben würde. Aber wohl eher wegen des nahenden Herzinfarktes! Wollen wir ihm ein paar letzte Worte in den Mund legen? Wie wäre es mit:“ So etwas lebt- und Schiller musste sterben!“


    Da fällt mir gerade so eine typische Situation ein: Die jüngere Schwester meiner Frau (quasi die Zweitausgabe meiner Ehemaligen in blond) brachte einmal ihre Freundin zu einer Familienfeier mit. Besagter Onkel Dieter hörte schon etwas schwerer, daher erklärte die jüngere Schwester auf die Frage, wie die junge Dame denn heißt: „Brit! Wie der Klebstoff, nur mit B!“ Schon fast erwartungsgemäß antwortete darauf Onkel Dieter: „Wie? Buhu?“


    Übrigens war nicht nur Onkel Dieter diesbezüglich ein Faszinosum! Auch die anderen Geschwister der Familie waren – zumindest manchmal – echte Granaten: Ich saß mit einem Bier im Esszimmer und bekam so zwangsläufig ein Gespräch zwischen zwei der älteren Schwestern mit, die sich leise unterhielten und unbeobachtet in der Küche wähnten: „Klaus (das war ihr Mann) hat mit gestern einen Strauß Rosen geschenkt. Jetzt muss ich wieder die Beine breit machen!“ „Hä? Wieso? Hast du zu Hause denn keine Vase?“ Was soll man dazu sagen. Mir ist jedenfalls fast das Glas aus der Hand gefallen.


    Ok, so was kann jedem passieren. Und ich will ehrlich sein, mir ist so etwas ähnliches auch schon einmal passiert. Nachdem ich meine zweite Frau kennengelernt hatte, kommen natürlich irgendwann so die üblichen Fragen nach den Grundeinstellungen zur Familie bzw. dem Familienleben. Und so ist es sicher verständlich, dass mir damals die angehende Nr.2 die Frage stellte: „Hast du Kinder?“ Wahrheitsgemäß antwortete ich ihr darauf: „Ja, ich hasse Kinder!“ An den ihr entgleitenden Gesichtszügen bemerkte ich dann doch recht schnell meine Fehlinterpretation der Frage…


    Aber noch einmal zurück zu Onkel Dieter: Er beherrschte übrigens auch über längere Zeit den aufrechten Gang; zumindest, wenn das Bier im oberen Regal stand. Ein gewisses Maß an planerischer Intelligenz konnte man ihm auch nicht absprechen, da er in der Regel zwei(!) Kästen Bier kaufte. Unter einem 7- Gänge- Menü verstand er einen Sixpack Bier und eine Bildzeitung. Ansonsten hatte er mit seinen geliebten Bierflaschen eines gemeinsam: Beide waren Hals aufwärts hohl! Außer der Tatsache, dass ich sonst niemanden kenne, der es geschafft hat, 2 Flaschen Eierlikör in nicht einmal vier Stunden im Alleingang zu vernichten, wies Onkel Dieter keine erwähnenswerten Besonderheiten auf.


    Ich trinke sehr gerne ein Bierchen und ab und zu einen Cocktail oder einen Whisky. Aber ich habe mich noch nie so zugeschüttet, dass mir die Flüssigkeit quasi zu den Ohren herauskommt!


    Es gibt aber eben Menschen, die offensichtlich einem angeborenen Reflex folgend alles Flüssige in sich hineinschütten müssen; egal ob Wodka, Kerosin oder 4711. Aber vielleicht ist es ja nur eine Reaktion auf das infantile Verhalten von Erwachsenen, sich gegenseitig zu Ostern die Eier verstecken zu müssen? Ich weiß es nicht.


    Ob ich ein wenig übertrieben habe, mit meinen ehemaligen Verwandtschaftsverhältnissen? Ich gestehe es; aber 90 Prozent dessen, was ich geschrieben habe, entspricht den Tatsachen. :)


  • ANZEIGE
  • Diese mal wieder geniale Beschreibung passt auch prima zum jährlich angeordneten, "besinnlichen" Weihnachtsfest, wobei sich die Besinnlichkeit auf maximal 5 Minuten bei der Bescherung beschränkt.
    Im Gegensatz zu Ostern gibt es bei Weihnachten noch die unerträgliche Vorweihnachtszeit, in der die Leute gestresst, genervt und mit blutunterlaufenden Augen so sinnbefreiten Geschenken wie Socken mit Blumenmuster, Parfum und......Aaach, für Onkel Karl ne Krawatte....hinterher hechten....
    .....am besten direkt noch Heiligabend, denn Weihnachten kam wieder einmal vollkommen unerwartet.
    Ganz dicken Dank (so dick wie Kusine Sieglinde) für deine geniale Geschichte.
    Ich liebe deinen Schreibstil, denn er legt den Finger in die Wunde und läßt einen zugleich nicken und breit grinsen! :*;):thumbup::thumbup::thumbup:

  • Hallo Dirtywitch,


    mir bleibt nur mich - wie immer - bei Dir für das liebe Kompliment zu bedanken!

    Und natürlich hast Du recht: Diese Geschichte ließe sich problemlos auf Weihnachten umschreiben. Feste jeglicher Art kommen immer so völlig überraschend und erfordern daher auch diese liebevollen Überlegungen bei der Auswahl der Geschenke: Ob es der selbst gehäkelte Topflappen oder die geschmackvolle Krawatte von Aldi ist... ^^

    Nochmals vielen Dank!

  • Dieses Thema enthält 3 weitere Beiträge, die nur für registrierte Benutzer sichtbar sind, bitte registriere dich oder melde dich an um diese lesen zu können.